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Tagebuch einer Hüftoperation


11. August 2016
Diagnose: Arthrose des Hüftgelenks. Ich werde ein künstliches Gelenk bekommen.
Mittags melde ich mich in der Klinik an. Ich komme auf mein Zimmer, lerne meinen Zimmergenossen kennen, der gerade eine Hüftoperation hinter sich hat (dieselbe, die ich vor mir habe), und bis zum Abendessen werde ich gründlich untersucht.
Ich bin froh: man hält mich für tauglich für die Operation. Ich wiege 130 kg, und ich habe Ödeme in den Beinen. Mein Kreislauf ist so mies, dass ich alle 100 Schritte eine Pause zum Luftholen einlegen muss. Mein Herzschlag ist zu schnell: 100 Schläge mindestens, wenn ich liege. Ich reibe das niemandem unter die Nase, schließlich möchte ich operiert werden. Aber letztendlich scheint das kein Problem zu sein. Anscheinend haben sie öfter solche Walrösser wie mich auf dem Tisch und sind Kummer gewohnt.

12. August 2016
Der große Tag begann mit einer Tablette nach dem Frühstück, das für mich ausfallen musste. Der Anästhesist erklärte, dass mit diesem Mittel oft ein partieller Verlust des Langzeitgedächtnisses einhergehen kann. Plötzlich war ich an der Tür des Operationssaals. Dann war ich in meinem Bett auf dem Krankenzimmer. Was war im Aufwachraum geschehen? Wie habe ich den Rest der Nacht verbracht?

13. August 2016
Aus einem Beutel läuft eine Flüssigkeit in mich hinein, an meinem Oberschenkel läuft Blut über einen Schlauch in eine Flasche. Dann ist da noch der Katheter, der mit eine Sorge abnimmt.
Die hübsche Schwester, die für mein Training zuständig ist, lässt mich ein paar Schritte gehen. Ich schlafe ansonsten viel und freue mich auf den nächsten Tag, wenn ich meine Schläuche loswerden soll.

14. August 2016
Der Katheter wird entfernt (oopsie).
Die ältere, auch recht hübsche Schwester überzeugt mich, mit der ersten Zigarette bis nach dem Mittagessen zu warten. Statt meiner früheren Hüftschmerzen habe ich ein dumpfes Schmerzempfinden an der Operationsnaht. Die Schmerzmittel machen alles sehr erträglich. Ich schlafe viel.
Am Nachmittag finden sich die Raucher im kleinen (sehr heißen) Raucherzimmer zusammen. Ein Arzt schaut herein und bemerkt, dass die Raucher immer die mobilsten Patienten sind. Sie sind sehr motiviert und machen mehrmals am Tag ihre kleinen Spaziergänge.


15. August 2016
Nach dem Frühstück werden die Schläuche entfernt.
Zwei Schmerzmittel mussten abgesetzt werden, weil sie bei mir Asthma verursachen. Leider hat man vergessen, die zu kompensieren, also habe ich in der Nacht mehr Schmerzen als sonst und liege oft wach und schaue Fernsehen. Morgens diskutiere ich das mit der Schwester. Ich bekomme mehr Schmerzmittel, die machen mich schläfrig, und ich schlafe viel. Ansonsten geht es mir ziemlich gut.
Die neue Schwester (jung, 3. Lehrjahr) bringt mir eine Feigen-Essenz, die meinen Darm reaktivieren soll. Der ist durch die Opiate nach der Operation träge geworden.

16. August 2016
Große Überraschung: ich habe viel weniger Schmerzen als je. Ich gehe zum Rauchen raus in den Garten. Der Arzt und ich sind uns einig, dass ich am 18. entlassen werde. Ich möchte nur nach Hause, keine Reha oder Physiotherapie. Kleine Schritte ohne Krücken sind möglich. Duschen ohne Hilfe funktioniert.
Schwester Lehrjahr fragt nach Stuhlgang: Fehlanzeige. Sie kommt mit einem Einlauf, ich sage NEIN! Mehr Feigen-Essenz.

17. August 2016
Schwester Physio-Training macht die Treppenübung mit mir und ist zufrieden. Alles ist klar für den 18. Jeder Tag ist eine Überraschung: weniger Wundschmerzen, mehr Sicherheit beim Gehen. Die Wunde ist trocken und nicht infiziert.
Mein erstes "Häufchen" nach der Operation hat die Form und Härte einer Billardkugel (au weia). Schwester Lehrjahr kommt und wedelt mit dem Einlauf. Glück gehabt.
Das neue Gelenk darf voll belastet werden, aber für einige Wochen ist das Risiko noch groß, dass es ausgerenkt wird. Darum ist für die nächsten Wochen verboten: Beugen des Gelenks über 90 Grad und jede Drehung zur Seite. Also: Socken anziehen und Schneidersitz müssen warten.

18. August 2016
Ein letzter Bluttest zeigt: keine Infektion. Der Verband wird noch einmal gewechselt. Um 10 Uhr habe ich mich von allen Bekannten verabschiedet und verlasse die Klinik. Der gute alte Asbjörn fährt mich nach Haus.

19. August 2016
Zuhause. Ich dusche mich. Ich koche mir Nudeln. Ich schlafe viel.

20. August 2016
Überraschung: die Schmerzen sind minimal, und ich traue mir richtige Schritte zu. Asbjörn fährt mit mir einkaufen. Ich überlege, wie es für die nächsten 4 Wochen weitergehen soll. Wir gehen chinesisch essen, und ich verschlafe den größten Teil vom Rest des Tages. Mit viel Gefummel gelingt mir der Verbandwechsel. Die Wunde sieht gut aus.

21. August 2016
Ich schlafe viel, koche mir eine Suppe und denke nach. Ich übe Schritte. Das neue Gelenk funktioniert tadellos, und meine Muskeln spielen auch mit. Ich habe nur verlernt, mit dem rechten Bein richtige Schritte zu machen. Die Unsicherheit ist das größte Hindernis.

22. August 2016
Um 9:30 Uhr zum Waschsalon gegangen/gefahren. Nette Leute aus UK und Philippinen getroffen. Auf dem Rückweg am Flughafen Essen gekauft. Alles ohne Stock. Auf den letzten 100 Metern hat sich der Muskelkater eingestellt. Schon lange habe ich die Muskeln im lahmen Bein nicht mehr richtig benutzt. Jetzt (13:00 Uhr) ruhe ich mich aus. Das war genug Training für heute. Aber das Gelenk ist tadellos, keine Schmerzen oder Einschränkungen.

23. August 2016
Muskelkater irritiert. Heute kein Training, nur essen und schlafen. Verbandswechsel: alles trocken und nicht geschwollen. Super.

24. August 2016
Termin beim Zahnarzt. Asbjorn hat mein Auto, also musste ich ein paar hundert Meter weit gehen. Das war anstrengend. Ich brauche viel Training von dieser Art. Jetzt bin ich sehr müde.

25. August 2016
Diät angefangen. Ich muss dringend abnehmen. Ansonsten nichts.

26. August 2016
Lange geschlafen, Diät gehalten. Ein paar Chilies von meiner Fensterbank eingekocht. Zu faul für alles. Meinem Bein geht es gut.

27. August 2016
Geschlafen bis 9 Uhr, danach Shopping mit Asbjorn. Kreislaufprobleme. Sehr heiß: 33 Grad. Griechisch gegessen: Taramas und Gyros. Natürlich keine Rede von Diät. Geschlafen von 14 bis 18 Uhr unter dem Ventilator.

28. August 2016
Zurück zur Diät. Wieder sehr heiß heute, ich bleibe in der Wohnung. Morgen soll es kühler werden.

29. August 2016
Einkaufen beim Coop im Flughafen. Gehen wird immer besser. Jetzt muss ich an meinem Gewicht und an meiner Fitness arbeiten. Zum Glück ist die Hitzewelle vorerst vorbei.

30. August 2016
Einkaufen im Lidl: Kohl und Gurken. Das reicht für den Rest der Woche.

31. August 2016
Faulenzen.

01. September 2016
Leichte Schmerzen im Bein, verschwinden aber im Lauf des Tages. Diät: viel Gemüse gegessen.

02. September 2016
Bein ist besser. Viel Tomaten gegessen und Rotkohl gekocht. Einige Filme über extrem fettleibige Leute gesehen zur Motivation. Ich frage mich, wie diese Menschen es vor sich selbst rechtfertigen, weiter zu essen, wenn sie sich nicht mehr selbst sauber halten können.

03. September 2016
Shopping mit Asbjorn. Gutes Training für meine Beweglichkeit. Chinesisch gegessen, viel Salat und kein Reis. Für den Rest des Tages gab es nur Gemüse.

04. September 2016
Faulenzen. Dem Bein geht es ausgezeichnet. Mit meiner Diät geht es voran, trotz chinesischem Essen gestern. Abends Asbjorn zum Bahnhof gefahren. Autofahren funktioniert besser als je: keine Schmerzen beim Einsteigen, keine sonstigen Behinderungen.

05. September 2016
Heute hinke ich stärker, ich habe wenig geschlafen und fühle mich allgemein nicht fit. Autofahren war kein Problem. Ich habe meine Familie besucht und bin insgesamt 700 Kilometer gefahren. Es sind auch geschwollene Füße, die mir Probleme bereiten.

06. September 2016
Viel geschlafen, und mein Bein erholt sich. Am Abend gehe ich wieder fast normal. Der geplante Einkauf ist auf morgen verschoben.

07. September 2016
Einkaufen gewesen, hat ganz gut funktioniert.

Zeitsprung
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20. November 2016
Ich habe 20 Kilo abgenommen. Weitere 20 sind geplant.
Mein neues Gelenk funktioniert hervorragend.
Je mehr Gewicht ich verloren habe, umso geringer wurden die Probleme. Ich hinke nicht mehr, kann weite Strecken gehen, und meine Schwellungen in Beinen und Füßen sind verschwunden. Meine allgemeine Fitness ist so gut, dass ich bereits längere Spaziergänge unternehme.
Meine Ernährung ist umgestellt. Ich mache keine "Diät" mehr, sondern ernähre mich so, dass ich das ohne Ende fortsetzen kann. Mein Essen enthält keine Fertigprodukte mehr, keinen Zucker und keine Getreideprodukte oder Kartoffeln. Heißhunger und Fressanfälle sind Vergangenheit. Ich schlafe besser und fühle mich so gesund wie seit Jahren nicht mehr.
Jetzt beginne ich wieder zu leben.

23. November 2016
Mein Tagebuch endet hier. Ich hole mir jetzt mein Leben zurück, aber das ist eine andere, eine neue Geschichte. Manche Dinge sind abzuschließen, neue Optionen zu realisieren. Jetzt habe ich wieder mehr Zeit und Energie, was fange ich damit an? Der Sinn meines Lebens: ist es nur, für meine Arbeit zu funktionieren und Geld heranzuschaffen für die Leute, die von meinem Einkommen abhängen? Mein Job ist nicht schlecht und wird gut honoriert. Ansonsten ist mein Leben als Geldschwein unbefriedigend, nämlich weitgehend bedeutungslos.
Das ist meine neue Aufgabe: meinem Leben wieder eine Bedeutung zu geben.